
ÜBERS WASSER GEHEN
Segeln bildet.
„Heineken“ heißt das Charter-Schiff und das klingt schon mal vielversprechend. Prost! Außerdem bietet sie acht Kojen, was nichts weiter bedeutet, als dass sechs Leute bequem Platz finden. Das ist auch gut so, denn wir lieben Mitsegler. Bei uns war schon der halbe Freundeskreis an Bord und das spart enorm. Nicht nur, weil wir Charterkosten und Hafengebühren teilen, das auch, aber die wesentliche Ersparnis kommt aus all den Weiterbildungskursen, die wir nicht machen müssen, weil uns unsere Freunde an Bord trainieren.
Das ist einmal der Kursus „Effiziente Kommunikation“, den wir nicht besuchen brauchen, denn wir lernen an Bord, wie das geht. Beispielsweise mit Ira. Sie ist zum ersten Mal dabei und will helfen. Also drücke ich ihr die Festmacherleine in die Hand und erläutere, dass die nicht über die Reling zu laufen hat, sondern „unten durch“ und zwar so, dass nix scheuert. Sie bekommt den Auftrag, auf Befehl mit der Leine an Land zu springen und am Steg den Tampen so zwei Mal durch den Ring zu ziehen, so, dass sie nicht das ganze Gewicht des Boots alleine halten muss. „Prinzip Flaschenzug!“, strahlt Ira, „hab verstanden.“ Na ja, so ähnlich, denke ich. Sie macht sich klar zum Anlegen und steht da wie ein Soldat, fertig zur Schlacht, Tampen erstklassig „unten durch“ gezogen in der Hand. Wir legen an, sie bekommt ihre Order, springt behände an Land, saust los und zieht die Leine durch die Öse am Steg – und ich sehe gerade noch, wie das andere Ende ihres Tampens von Bord rauscht. „Vom Belegen des anderen Endes auf der Klampe hast du nichts gesagt!“ war Iras Kommentar, nachdem das folglich aus dem Ruder gelaufene Anlegemanöver und das amüsierte Gegröle auf dem Nachbarboot vorbei war.
Auch das Seminar „angewandte Physik“ können wir uns sparen, denn dafür haben wir Boris, der hat einen Doktortitel in der Disziplin. Leider auch die Verschrobenheit dazu und deswegen vergisst er gerne, dass er gerade auf einem Schiff ist. Beispielsweise beim Zähneputzen bei laufendem Wasser – danach ist der Wassertank dann halb leer und wir lernen, was eine Land-Wasserleitung von einem Tank unterscheidet und wie begrenzt Volumen sein kann.
Den Kursus „Bordmedizin am lebenden Material“ müssen wir auch nicht belegen, das lernen wir alles an Bord. Mit Jürgen, der anheuert, um von Norderney nach Falmouth an der Südwestspitze von England zu segeln. Meine Seefunklizenz ist so nagelneu wie das DSC-Funkgerät, er hingegen ist seit Jahren Hobbyfunker und soll mir beibringen, wie man mit Maas Control redet – die lotsen in der Hafeneinfahrt von Rotterdam die Containerschiffe rein und raus und wir wollen durch die Schifffahrtsstraße – oder mit Dover Contol, damit wir gut an all der Berufsschifffahrt vorbeikommen. Außerdem planen wir ein paar Nachttörns und da ich nachts ungern alleine im Cockpit sitze, soll er die Hundewachen mit mir teilen. Jürgen jedoch wird schon bei der Hafenausfahrt von Norderney so seekrank, dass er sich kaum noch bewegen kann. Daran ändern auch Medikamente nichts. Es geht ihm so schlecht, dass er nicht mal aufs Klo gehen will, also trinkt er auch nichts. Was im Klartext heißt, dass ich nicht nur alleine Nachtwachen schiebe und mir die Funkpraxis selber beibringe, sondern nebenbei auch noch einen Patienten anflehe, doch bitte zu trinken, weil er sonst dehydriert.
Was wären wir ohne unsere Mitsegler! Wir hätten keine Ahnung von der Kontrolle überbordender Emotionen oder überschwemmter Bordtoiletten. Nichts wüssten wir über Gruppendynamik bei 30 Knoten Wind und noch weniger über den Fakt, dass Leute anbrüllen besagte Leute nicht unbedingt schlauer oder motivierter macht. Segeln bildet eben – Herz, Hirn und Muskeln.

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